Als Wiesler, der bis dahin nur mit „kleinen Fischen“ zu tun hatte, auf den populären Dramatiker angesetzt wird, erfährt er erstmals, dass es nicht nur die Ideologie ist, die zählt, sondern vor allem Machtpolitik und Intrigen: Die Spitze des Staates ist karrieregeil, nicht ideologisch. Dreymann soll nicht der regelmäßigen ideologischen Prüfung unterzogen, sondern möglichst zu Fall gebracht werden, um die Karriere eines Politikers zu beflügeln. Ein Schlüsselerlebnis ist für Wiesler die Nötigung von Dreymanns Freundin, einer Künstlerin, durch den Kulturminister: Ausstellungserlaubnis gegen Sex. Der Spitzel wird kritisch gegenüber dem System und entwickelt sich zum Mittäter (nach DDR-Recht).
Das Gute im Bösen
Durch Ulrich Mühe wird die ungewöhnliche – und untypische – Geschichte eines Stasi-Spitzels für den Zuschauer vollkommen glaubwürdig erzählt. Es ist für den Zuschauer auch in Zeiten seiner Linientreue unmöglich, den Stasi-Mann, der seine Verhörten in die Verzweiflung treibt, als grundsätzlich schlechten Menschen zu verurteilen. Als „Verräter“ seines Systems, der er wird, aber auch als Verhör-Führer wirkt er nicht unsympathisch, sondern eher als guter Mensch, der am Anfang eben für eine Ideologie kämpft, an die er glaubt.
Dies ist jedoch auch der einzige Punkt, der an dem Film kritisch betrachtet werden muss: Der Film stellt nicht eine Figur in den Vordergrund, die perfekt die Unterdrückung verkörpert, sondern den Gutmenschen Wiesler. Diese Perspektive, die eine Verharmlosung darstellt, schwächt den Film allerdings nicht entscheidend, denn das Klima der Unterdrückung ist nichtsdestotrotz allgegenwärtig.
Realitätsgetreue Dokumentationen über die Stasi gab und gibt es viele – im Fernsehen, in Büchern oder in Museen wie dem hervorragenden „Museum in der 'Runden Ecke'“ in Leipzig. Ihr gemeinsames Problem ist ihre Reichweite. Dieser Film dagegen hat das Potenzial, eine Masse anzuziehen, und auch genau diejenigen Kinogänger, die sich zuvor von der Ostalgie ergreifen ließen.
Aussagen der Ostalgie-Filme unangetastet im Hintergrund
Ausnahmslos jeder Kinofilm, der die DDR im Rückblick thematisierte, malte ein rosarotes Bild der Ostalgie. Die ersten beiden Filme hatten noch einen gewissen Wert: „Sonnenallee“ (1999) zeigt, dass im Osten eben nicht alles schlechter war als im Westen, wie viele Wessis in ihrer Sanierermentalität (Stichwort: „Buschzulage“) glaubten. „Helden wie wir“ hingegen ist schon wegen seiner satirischen Anspielungen auf Christa Wolf bedeutend und kann außerdem als Versuch gesehen werden, den Mauerfall zu entmythisieren.
Seitdem herrschte Stillstand. Filme wie „Good Bye Lenin“ oder „NVA“ sind unterhaltsam und erfolgreich – mehr aber auch nicht. Die ostalgische Idee des „menschlichen Ostens“ wurde einfach immer wieder neu variiert. Dies kann man als Indikator der Intensität der Verletzung der DDR-Bürger durch den Westen werten – oder aber als simple Methode, mit alten Rezepten Geld zu verdienen, denn die meisten dieser Ostalgie-Filme waren Kassenschlager. Wenn dann noch beliebte Privatsender Sendungen wie „Die große DDR-Show“ produzieren, ist es höchste Zeit, ein massentaugliches Gegenmittel zu entwickeln. "Unterschätzen Sie die Stasi nicht", heißt es in "Das Leben der Anderen“.
Der Film besitzt die Stärke, die DDR nicht als Ganzes zu verteufeln. Viele Aussagen der Ostalgie-Filme lässt er unangetastet, stellt sie aber in den Hintergrund des Unterdrückungssystems. Ein effizienteres Gegenmittel gegen die Ostalgie-Überdosis als „Das Leben der Anderen“ ist schwer vorstellbar.
Tobias Vetter